Corrán Tuathail

heisst in Irland die höchste Erhebung, im Englischen heißt der Berg Carrauntohil. Mit 1039 Metern und einem eigenständigen Gipfel erfüllt er alle Vorraussetzungen um als Munro zu gelten, mit Ausnahme der unglücklichen Begebenheit dass er nicht in Schottland, sondern in Irland steht.

Sowas nennt man dann nicht Munro sondern Furth. 13 gibt es davon in Irland und heute wollen wir auf den höchsten. Der Rother schlägt dafür die Tour Nummer 18 vor. Schwarz, 5h45 lang mit 890 Höhenmetern und warnt: Bei Nebel Orientierungsschwierigkeiten.

Als wir gestern Abend an unserem Ausgangspunkt ankamen, war der Berg bereits in den Wolken. Die Campingplatzbetreiber fragten, ob wir auf den Berg wollen, reagierten aber ganz normal als wir das bejahten. Schien also kein völlig irrer Plan zu sein.

Der erste Blick aus dem Fenster zeigt noch tiefer hängende Wolken, sie beginnen quasi direkt über der Mauer vom Campingplatz.

Die Wetter App zeigt eine geschlossene Wolkendecke zwischen 200 und 1000m über ganz Irland für den ganzen Tag. Mist. Ich blättere im Rother nach Alternativen für heute, finde aber keine und leg mich einfach wieder hin.

90 Minuten später sieht die Welt ganz anders aus. Sonnenschein und von Wolken keine Spur. Wir frühstücken Müsli und ich packe Proviant, Getränke und Ausrüstung für alle Eventualitäten ein. Ute beschwert sich über das ganze schwere Zeug.

Nachdem ich aber gestern die Wand sah, die man auf dem Weg zum Berg zwangsweise passiert, mit all den Erinnerungen an die schlecht ausgerüsteten und zu früh Verstorbenen, nebst einer Auflistung von Allem was man dabeihaben sollte, verhandele ich das Material nicht, erkläre aber warum das alles dabei ist und dass ich den Nebel von heute Morgen noch lebhaft in Erinnerung habe.

Das bringt mir den Vorwurf ein, dass ich Angst vor der Tour schüre. Das ist eine verständliche Reaktion. In diesem Fall ist Angst nicht beabsichtigt, aber ein Vehikel um zum nötigen Respekt vor der Tour zu kommen. Sehr wahrscheinlich werden wir von all dem schweren Trödel nichts brauchen, aber ihn nicht zu haben wenn man ihn doch braucht könnte tödlich sein.

Als Kunde einer Bergtour möchte man von all dem nichts wissen, sondern einfach nur die Tour genießen. Ich würde nichts lieber tun als Ute so ein sorgenfreies Erlebnis zu bescheren, aber ich bin darauf angewiesen dass wir beide wissen was wir tun.

Wir haben uns für lange Kleidung entschieden. Recht bald wird klar dass es wärmer ist, als wir erwartet haben. 1000m höher wird es 10 Grad kälter sein, wird schon passen.

Die Esel jedenfalls haben es sich bereits in der Sonne gemütlich gemacht und erholen sich vom ausdauernden I-Ahhhhhhhh der letzten Nacht.

Der Weg führt uns vom Campingplatz Cronin’s Yard in Richtung der Arena aus den höchsten Bergen Irlands, die hier fast vollzählig ziemlich dicht beieinander stehen.

Der zweite, spitze von rechts ist unser Ziel. In direkter Verlängerung des Weges kann man unseren Rückweg, die Devil’s Ladder als hellen Streifen unterhalb des Sattels links vom Carauntoohil schon sehen.

Über eine Gedenkbrücke queren wir den Fluss der aus den Bergen herunterkommt und dem wir mehr oder weniger bis Oben folgen werden.

Nach 2 km auf guten Wegen beginnt langsam der Teil der Tour , der für die schwarze Bewertung im Rother geführt hat. Der Weg wird steinig und gewinnt schneller an Höhe.

Die Sonne scheint mit ganzer Kraft und mir wird warm. Erinnerungen an unsere erste Horseshoe Wanderung werden wach. Der Karsee den wir am Rückweg liegend sehen wird gebucht. Da springe ich auf jeden Fall rein wenn mir dann noch so warm ist.

Erstmal müssen wir aber weiter aufwärts, es wird zusehends steiler und wir müssen die Hände aus den Hosentaschen nehmen. Hier beginnt die leichte Kletterei, a little bit scrambling würden die Engländer sagen.

Kurz ist Ute von der Aufgabe überwältigt, die Angst vor der Tour und die anstehende Kketterei, dazu ein immer schlechter erkennbarer Weg lassen Zweifel aufkommen ob das heute eine gute Idee war.

Zweifel sind essentiell, sie halten einen an, sich nochmal klarzumachen dass man für das anstehende gewappnet ist, oder den Plan zu überdenken.

Wir sind gewappnet und klettern weiter. Der zurückgelegte Weg wird eindrücklicher.

Das Ziel wird greifbarer.

Es sind diese Momente beim Bergsteigen die den Sport so befriedigend machen. Die Wege dazwischen sind es die mich kopfüber in die nächste Pfütze treiben. Ich brauche dringend Kühlung.

Ein paar Meter Höher erreichen wir das, was der Rother mit „die nächste Stufe“ bezeichnete.

Die nächste Stufe ist ein Karsee.

Es ist grad Mittag und mir ist immer noch warm. Warum nicht jetzt schon in den See springen und auf dem Rückweg dann eben nochmal?

gesagt – getan.

11 Grad sind sehr erfrischend und kühlen wunderbar direkt ab, recht bald wird aus angenehm erfrischend dann aber auch verdammt kalt und man kommt gar nicht schnell genug raus aus dem Wasser.

Erfrischt und gestärkt kann es weitergehen. Die nächsten Höhenmeter sammeln wir im Eiltempo ein, der Karsee wird kleiner und das zurückgelegte wird eindrücklicher.

Wir erreichen den Sattel von dem es nicht mehr weit zum Gipfel ist. Links geht‘s zum Carauntoohil, rechts zum Gipfel „The Bones“. Nur 146m entfernt liegt da ein Geocache. Den hole ich noch schnell und Ute macht solange ein Päuschen an windgeschützter Stelle. So der Plan.

Ich suche 30 Minuten nach dem Cache, der Hinweis „unter einem großen Stein„ ist irgendwie nicht so richtig hilfreich und Ute sieht mich trotz der geringen Entfernung nicht mehr. Nach 15 Minuten sucht sie nach mir, findet mich auch dann nicht, kann mich per Telefon nicht erreichen und vermutet einen Absturz. Die Angst sieht sich bestätigt und führt in eine emotionale Notlage. Trotzdem werden Pläne gemacht wie es jetzt weitergeht. Per WhatsApp klappt der Kontakt und der Cache zeigt sich auch kurz darauf unter einem großen Stein. Wo denn auch sonst auf diesem großen Steinhaufen 🙄.

Ich bin so froh dass nicht nur einer von uns weiß was er tut und mächtig stolz auf Ute, die beim Suchen nach mir auch noch den weiteren Weg zum Gipfel ausbaldowert hat.

Die irischen Schafe sind eigentlich alle recht scheu und halten Abstand. Kurz vor dem Gipfel treffen wir allerdings auf eines dass sehr entspannt ist. Nach ganz oben kommen eben nur die Besten 😆 Ich geselle mich für für Ute‘s Suchbild „Finde das Schaf“ dazu.

Die letzten Meter eröffnen den Blick in das Tal auf der Rückseite, ebenfalls sehr schön mit Seen zur Kühlung designed. Hier hat der Architekt mitgedacht.

Und dann sind wir da. Höchster Punkt Irlands, alle Mühen, Zweifel und Ängste vergessen und im Gipfelglück hoch über der grünen Insel schwelgen. Bis hierher waren wir fast alleine unterwegs, hier oben wird es voller. Vorteil: Einen Fotografen für das Gipfelfoto zu finden ist kein Problem.

Auch den Rückweg treten wir nicht alleine an. Wir können wählen zwischen der Devil‘s Ladder und der Alternative mit einem weiteren Gipfel und einem nicht so steileren Abstieg.

Die Devil‘s Ladder gilt als Beispiel für Fehler beim Wegebau denn sie führt Wasser und erodiert entsprechend. Seit 2005 so stark dass Steinschlag droht. Vorteil: sie ist kürzer und die Empfehlung des Rother.

Ute schaut sich das an und entscheidet wir probieren es. Sie übernimmt die Führung, die Wegfindung und setzt das Tempo. Genau so muss das sein, wenn zwei wissen was sie tun.

Die Teufelsleiter erklärt ihren Namen unterwegs. Sieht von oben schnell und direkt aus, zieht sich aber seeeeeehr lang und sehr steil den Berg runter. Ich bin schon wieder auf Temperatur und sehne den Karsee herbei.

Teufelsleiter geschafft, Lächeln nur noch für‘s Foto.

Wir sind gerade am Karsee angekommen, da schaut Ute auf die Uhr. Der Tea Room hat bis 18:00 auf und serviert neben Tee auch gekühltes Bier. Das hat Ute fest eingeplant und instruiert entsprechend.

Kühles Bad gestrichen, keine Pause, zügig zurück. Um 17:45 stehen wir am Tresen. Kühles Bier und kühler Cider gesichert, Prost auf eine tolle Tour.

Fine Dining gibt‘s heute nicht, aber wie das so ist, nach solchen Touren schmeckt alles nach Sterneküche.

5 Sterne Stulle, kühles Ale, kühler Cider, Aussicht für die Ewigkeit und der Nebel schließt den Vorhang für diese grandiose Tour.

Zwei die wissen was sie tun: Duschen und Füsse hochlegen.

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