Der neue Tag begrüßt uns mit Sonnenschein. Wir stehen direkt hinter der Düne und haben nur 100m bis zum Strand.
Wir machen erstmal einen kleinen Spaziergang am Strand lang.
Dem Strand folgen wir zum Ort und schauen gespannt ob wir was wiedererkennen. Ist schon ziemlich lang her als wir zuletzt hier waren.
In dem Bunker haben wir mal geurlaubt. Inzwischen wirkt er sehr heruntergekommen.
Zum Mittag setzten wir uns in das Restaurant mit der besten Kombination aus Aussicht und Empfehlung der Locals.
Dass wir so früh im Jahr bei solchem Wetter mit dieser Aussicht so lecker speisen können, hätten wir nicht gedacht.
Nachmittags legen wir uns erstmal an den Strand, die lange Fahrerei von gestern ist noch nicht ganz ausgeschlafen.
Ute übt inspiriert von Geschichten aus der Jugend das Rülpssprechen. Das funktioniert mit einem Birra Moretti unerwartet sehr gut und sehr vernehmlich. Mutter und Kind nebenan schauen sehr erschrocken und ziemlich irritiert herüber. Ute kriegt einen Lachflash.
Bevor wir aber den ganzen Tag verschlafen springe ich nochmal schnell in die Fluten. Diese Wellen sind einfach zu verlockend. Der Neo ist zwar mit dabei, aber ich probiere es mal ohne. Sehr kalt, aber möglich.
Bevor wir direkt wieder zum Abendessen übergehen, einigen wir uns auf einen Spaziergang. Am Strand nach Süden drängt sich ein Problem unserer Zeit auf. Überall Plastikmüll am Strand.
Auffällig viele Schraubverschlüsse sind dabei. Daher die Umstellung auf unverlierbare Deckel. Macht Sinn, löst aber nicht das Problem.
Alte Badelatschen können offenbar auch einigen Muscheln als Schiff dienen. Es hat alles zwei Seiten. Mindestens.
Zurück geht es hinter der Düne durch den Pinienwald.
Wir kaufen noch Salat und Käse für das Abendessen ein und machen uns auf den Weg zurück zum Bus. Über dem Meer braut sich was zusammen.
Wir wählen den direkten Weg zurück, erste Blitze zucken durch die Wolke, und es beginnt zu tröpfeln. Das Dach lassen wir erstmal noch zu, man will den Faradayeschen Käfig ja nicht unbedingt nach oben öffnen 😉
Bei Käsebaguette, Oliven und Salat sitzen wir das Gewitter aus. Es zieht zum Glück über dem Meer an uns vorbei. Nach dem Kaffee zum Dessert können wir das Dach gefahrlos aufklappen und auf eine weitere ruhige Nacht hoffen.
Bis zum späten Mittag kommen wir gut voran, ohne zu viel Regen abzubekommen. Die Landschaft ist schön anzuschauen und über die Nationalstraßen kommt man mautfrei durch die schöne Kulisse.
An diesem schönen Plätzchen machen wir Pause, bevor es ohne weiteren Stopp in 6,5h bis Lacanau-Ocean weitergeht.
Wir nutzen die Zeit um das Abenteuer von gestern nochmal Revue passieren zu lassen.
Ein Detail hab ich gestern noch unterschlagen. Als es an‘s Abseilen ging, waren möglicherweise vorhandene Spinnen die größte Sorge. Leicht panische Blicke suchten die Wände ab. „In dem Farn da sitzen doch sicher Spinnen?“ Nö, saßen sie nicht. Als aber der Knochen am Schachtgrund erspäht wurde, und die verwesende Kuh in Gedanken Gestalt annahm, waren Spinnen ganz plötzlich überhaupt kein Thema mehr. Auch bei Befürchtungen und Ängsten gibt es das Trumpf Prinzip. Kuh sticht Spinne 🤣
Kurz drauf wird das Wetter mies. Dauerregen. Gute Wahl heute nur zu fahren, auch wenn das vor Allem bei schwindendem Licht und zunehmender Gischt nicht wirklich Spaß macht.
Um 21:45 sind wir am Ziel. Das Meer:
Der Parkplatz am Strand ist verlockend nah am Meer, aber hier ist trotz Vorsaison zu viel los. Eine ruhige Nacht ist hier nicht zu erwarten. Wir disponieren um und fahren nochmal 4 Minuten an den Ortsrand. Gut investierte Zeit wie sich herausstellt.
Das Meer hören wir auch von hier. Wir wollen gerade die Mütze aufziehen, da entdeckt Ute zwei verdächtige Haufen. Das ist doch sicher Erbrochenes oder ein Riesen Haufen Sch… ? Ich halte es für roten Sand mit hellen Steinchen. Nein, das sind Maiskörnchen beharrt Ute. Alles argumentieren hilft nichts. Die Schaufel kommt zum Einsatz und die verdächtigen Haufen werden entsorgt. Lieber Sand wegschaufeln als weiterdiskutieren😁
Es regnet noch etwas, wir köpfen den Mandelsecco vom Weintor in der Pfalz, dazu ein paar Oliven und Baguette, dann sind wir reif für die Matratze.
Wir haben uns gerade hingelegt, da rollt ein Auto auf den Schotterplatz. Zwei Leute sitzen drin und beginnen irgendetwas auszuladen.
Wer zur Hölle taucht an so einem Parkplatz Nachts um 11 auf?
Ich beobachte aufmerksam und überlege was die wohl hier wollen könnten.
Die Erklärung ist einfach. Das selbe wie wir. Wenig später machen sich zwei Leute im Schlaz auf in Richtung Höhle. Es macht ja absolut Sinn im Dunkeln in eine Höhle zu gehen. So verpasst man kein Tageslicht..
Wir können uns beruhigt hinlegen und die Nacht ungestört verbringen.
Am nächsten Morgen ist Regen angesagt und dazu Gewitter. Wir verzichten auf eine weitere Höhlentour und machen uns auf die Reise gen Atlantik. Regen und Gewitter verbringt man am Besten mit Kilometerfressen.
Unterwegs decken wir uns mit französischen Leckereien ein und machen uns auf den Weg zum Meer!
Angeschlazt, mit der Ausrüstung im Schleifsack und mit gestärktem Mut sind wir schnell wieder am Eingang zur Unterwelt.
Das gähnende Loch, eine Doline also ein Einbruch der Decke einer Höhle bis zur Oberfläche ist unser Einstieg in diese Kalksteinhöhle.
Wir richten eine Abseilstelle ein, aber die gespannten Nerven verlangen nach einem Seilgeländer um bis an den Rand zu kommen. Auch das ausgewählte Abseilgerät verursacht Bedenken, zuletzt hatten wir immer ein Anderes verwendet. So pilgern wir noch ein paarmal zurück zum Bus, bis die Ausrüstung perfekt und der Zustieg ausreichend gesichert sind. Zum Glück ist es nicht weit zum Bus. So dauert es nicht allzu lange bis es keine Ausreden mehr gibt und der Abstieg in die Doline bevorsteht.
Just in dem Moment erspäht Ute am Grund des Schachts einen großen Knochen. Die angespannten Nerven wittern ein Ventil und entladen die Anspannung. Da liegt bestimmt eine tote Kuh, da geh ich nicht runter. Alles zureden nützt nichts, ich gehe vor und bestätige dass da keine verwesende Kuh auf Ute wartet. Wieder oben ein neuer Versuch, nicht ohne eine handfeste Drohung: „wenn da unten irgendwas auf mich lauert was mich ekelt, komm ich rauf und klatsch Dir eine!“
Ich erwähne noch schnell den vergitterten zweiten Gang, der unten in Sicht kommen wird, und hoffe dass ich nichts übersehen habe. Den Knochen hatte ich schon aus dem Sichtbereich entfernt, aber wer weiß ob da nicht noch irgendwo einer im Schatten liegt..
Unten angekommen warte ich einen bangen Moment dass Ute das Seil raufgeflitzt kommt und mir eine klatscht, aber alles bleibt ruhig. Ich komme nach und sichere das Seil unten gegen Abziehen von oben. Wir wollen ja auch nachher wieder hier rauskommen.
Der Abgleich der Befürchtung mit der Realität fällt wie so oft aus: Alles nicht so schlimm wie man sich das vorgestellt hat. Entspannung setzt ein und das Abenteuer kann beginnen. Die Neugier übernimmt das Ruder und wir steigen den Schuttkegel hinab in den Hauptgang der Höhle.
Nach dem Schuttkegel der Doline geht es direkt mit Sinterschmuck los, Ute assoziiert Eingeweide und irgendwie stimmt das ja auch, wir sind in den Eingeweiden der Erde. Ich finde diese Art Sinter schön, Ute nicht, dafür findet sie Gefallen an der Deckenstruktur. Zum Glück bleibt es bei der tolerablen Variante von „gefällt mir nicht“, Ekel oder Angst sind nicht involviert und ich werde bekomme keine geklatscht. Puh!
Recht bald gibt es kleinere Hürden zu überwinden, die auch mal in der Breite schmaler werden, Felskontakt ist unvermeidlich. Wieder Erwarten stellt das absolut kein Problem dar. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wieder ein Fall von die Realität ist eigentlich immer anders als erwartet. Wir sprechen das im Anschluss durch. Was ich als Engstelle bezeichne empfindet Ute als unproblematisch: „ist doch rundherum und vor allem Oben genug Platz“. Ich bin mal wieder baff.
Die nächste Stelle wird von oben enger, aber auch da rutscht Ute ohne Probleme durch. In der folgenden Kammer schleichen sich aber Zweifel in die Gedanken, ob das zurück ebenso leicht geht. Und ganz so luftig wie bisher ist es hier auch nicht.
Wir bestaunen noch etwas den Sinter und beschließen den Rückweg anzutreten.
Da man in den allermeisten Höhlen den selben Weg zurück nehmen muss, den man hineingegangen ist, sammeln sich unterwegs immer mehr Zweifel im Unterbewusstsein an. Geht die Stelle rückwärts genausogut wie auf dem Weg rein? Schaffe ich diese Kletterei, finde ich den Weg zurück? Ohne es bewusst wahrzunehmen legt sich das dann gerne auf das Wohlbefinden und zeigt sich in Form von Beklemmungen oder auch mal wahrgenommener schlechter Luftqualität.
Mit der Luft ist alles in Ordnung, und kaum sind wir durch die zweifelhafte Stelle problemlos zurück, ist das Wohlbefinden wiederhergestellt.
Der Weg zurück stellt sich dann auch deutlich kürzer dar, als der Weg hinein. Ein weiteres Mal zerschellen Vorstellungen und Befürchtungen an der Realität.
Ehe wir uns versehen blicken wir in‘s Tagelsicht.
Das Abenteuer ist erlebt, die Mundwinkel streben nach oben und das Leuchten in den Augen zeigt sich. Well Done!
Kaum am Auto angekommen traue ich mal wieder meinen Ohren kaum. Ute überlegt ob wir morgen nicht gleich nochmal einsteigen und die Höhle weiter erkunden. Da ist wohl jemand auf den Abenteuergeschmack gekommen 😎
Abschlazen und schnell das Abendessen zubereiten. So ein Erlebnis verlangt nach einem ordentlichen Abschluss.
Raclette, Rotwein und gute Gespräche über das Erlebte runden den Abend ab. Das erste Outdoor Mahl in 2024 war ein denkwürdiges.
Bald wird es kalt und Regen ist angekündigt. Wir ziehen dem Bus die Regenhaube über und verlagern den Abend nach innen. Ein Tee zur Guten Nacht, dann legen wir uns hin.
Das Jahr startete dramatisch und mental anstrengend. Der Alltag hilft mit Ablenkung, aber nur begrenzt. Wir sind beide erschöpft und brauchen eine Krafttankstelle. Urlaub klingt echt gut. Raus aus dem Stress und Abstand gewinnen, rausfinden was wichtig ist und die Gedanken sortieren.
Das Ziel ist die französische Atlantikküste. Frischer Wind klingt sehr gut gerade.
Gestern wurden wir noch auf eine kleine aber feine Geburtstagsfeier eingeladen, heute schlafen wir aus und fangen dann an, den Bus zu beladen. Inzwischen geht das ohne Hektik und sehr routiniert. Trotz nicht so guter Wettervorhersage scheint dazu die Sonne.
Noch kurz ein paar Lebensmittel bunkern und ein paar süße Stückchen, Kaffee to go und ab dafür.
Bis wir auf der Autobahn sind, ist es schon halb zwei. Aber das macht ja nichts, wir sind da absolut flexibel.
Wir fahren erstmal im‘s französische Jura. Gut 3h sind eine gute Etappe für einen halben Tag und ich kenn da ein paar interessante Örtlichkeiten im Jura.
Wir kommen staufrei durch und haben auch am Ziel noch Sonne. Ein Parkplatz mitten in der Provinz, blühende Büsche. Sonne und ein kleines Abenteuer vor der Nase, wir tauchen gleich voll ein.
Durch die blühenden Büsche führt ein Pfad, wir folgen ihm.
An seinem Ende zeige ich Ute die Doline. Unser Eingang in die Unterwelt, wenn wir das denn wirklich tun wollen. Höhlen waren ja bisher ein absolutes No Go für Ute. Never Ever hieß es bis dato.
Als Ute den bisherigen Urlaubsplan Vogesen über den Haufen schmiss und den Atlantik zum Ziel erklärte, merkte ich an, dass wir dann ja mal auf dem Weg in die ein oder andere Höhle schnuppern könnten. Statt des erwarteten „Never Ever!“ hörte ich ein „OK. Schau ich mir an, aber ob und wie weit wir reingehen sehen wir dann.“
Mehr kann man nicht erwarten und dieser sehr unerwartete Satz ist ein irrer Erfolg. Die berechtigte und sinnvolle Angst vor solchen Unternehmungen ist auf ein vernünftiges Maß gesunken, dass es erlaubt rational an die Sache ranzugehen. Die Bereitschaft, Befürchtungen an der Realität zu testen und ihnen eben nicht mit kategorischem Ausschluss zu begegnen ist ein Riesen Erfolg. Den Schlaz anzuziehen und die Ausrüstung anzulegen, ist der physische Ausdruck der Tatsache dass Bauch und Verstand im Gleichgewicht und am Arbeitspunkt angekommen sind.
Die Nerven flattern gehörig, diesmal gibt es die Belohnung, das „Gipfelschnäpschen“ vorab. Allerdings muss man bedenken, dass es die größere Überwindung ist, den Schlaz anzuziehen und damit das Go für die Mission zu geben. Verdient ist der Mutmacher zu 100%.