Unverhofftes Highlight
Der Tag startet kalt. Wir wachen auf, knapp unter den Wolken. Kurz regnet es, erstmalig tagsüber seit 2 Wochen. Das erste Frühstück mit Standheizung folgt.

Die für heute angedachte Wanderung dürfte uns direkt in die Wolken führen und von den versprochenen grandiosen Ausblicken würden wir im Nebel herumirrend nichts sehen. Plan B muss her. Erstmal weiter in Richtung Süden und schauen was am am Weg liegt.
Das Bergsträsschen müssen wir also erstmal unverrichteter Dinge zurückfahren. Immerhin hatten wir eine zwar kalte, aber auch sehr ruhige Nacht.
Kurz bevor wir in‘s Setesdal einfahren sehen wir einen Hinweis auf eine Sehenswürdigkeit am Straßenrand und halten kurzentschlossen an. Byklestiegen klingt irgendwie interessant.

Am Parkplatz erfahren wir auf einer Infotafel dass hier der alte Pfad vom Setesdal rauf nach Bykle restauriert wurde. Bevor die Straße und der Tunnel gebaut wurden, gab es hier nur einen recht gefährlichen, steilen Pfad oberhalb des Flusses Otra mit einer 30cm Engstelle. Man könne vielleicht noch die Schreie derjenigen verhallen hören, die vom Pfad in die Otra stürzten und ertranken.
Die Engstelle wurde schon vor langer Zeit gesprengt und viel ist vom ursprünglichen, ganz alten Pfad nicht übrig. Aber es gibt eine schöne Aussicht in‘s Tal Richtung Bykle.

Dazu alte Zeichnungen wie es hier früher zuging als man sogar Pferde über den Pfad bugsierte. Einer führte vorne und einer hielt den Schweif, so ging es über abenteuerliche steile Planken und schmale Pfade. Für uns wurden indes Treppen gebaut, so kommen wir schnell wieder zum Bus.

Zurück gehen wir die alte Straße an der Otra, die mit dem Tunnel überflüssig wurde. Durch die Stauung hat der Fluss sicher auch einiges an Turbulenz eingebüßt, die hier früher die unglücklich aus dem Steig gestürzten hinfortriss.

Inzwischen ist es früher Nachmittag und es stellt sich die Frage, was wir noch machen mit dem Rest des Tages. Ute findet in der Nähe eine Rother Wanderung, 3h45 lang, das wird zwar knapp aber sollte noch klappen. Wir fahren zum Parkplatz.
Den ersten Kilometer wandern wir die Straße lang, die wir gerade hergefahren sind. Der Rother nennt es „kurz“. Ich mosere schonmal rum. Da muss ja noch einiges kommen, dass sich so eine blöde Strecke an der Straße lang lohnt.
Was kommt, beschreibt der Rother als „von Anfang an ein Idyll“. Die Landschaft ist ein Idyll, keine Frage. Es ist aber auch ein mooriges Feuchtgebiet. Es schmatzt immer wieder unter den Füßen und immer wieder sind Matschtümpel und kleine Bäche zu queren. Die eben getrockneten Schuhe sind direkt wieder nass.

Der zweite Wegpunkte der Tour ist der Kyrelitjønn See, hier ist sogar eine Brücke eingezeichnet.

Die Brücke ist wohl nicht ganz fertig geworden.
Ich frage mich mal wieder, was da noch kommen soll, die Hälfte der Strecke ist inzwischen abgewandert. Es dauert allerdings noch bis zum letzten Viertel bis sich zeigt, weswegen sich das alles lohnt.
Los geht es mit einer Blockhalde. Das ist doch schonmal was.

Dahinter zeigt sich eine riesige Felsplatte und man fragt sich jetzt schon, wie es da wohl raufgeht. Interessant. Könnte gut werden.

Nachdem die Blockhalde gemeistert ist, zeigt sich die nächste Aufgabe. Die Platte. Schräges Geläuf.

Aber es gibt hier einen Riss, der den perfekten Aufstieg bietet. Quasi eine Treppe mit Handlauf. Stellenweise.

Die Platte ist meist so geneigt, dass man auch neben der „Treppe“ laufen kann. Der Fels ist sehr griffig, aber man läuft dann eben auf einer riesigen, recht stark geneigten Fläche die sich in einen Abgrund wölbt. Der Rother beschreibt das treffend mit „einem gewissen Nervenkitzel“ der dem Preikestølen in nichts nachsteht. Da muss ich zustimmen. Und der Riesenvorteil: Man hat den Spaß hier ganz allein für sich. Kein multinationaler Treck, kein Stockgeklapper, kein Schlangestehen. Nur feinste Landschaft und Nervenkitzel. 1A.

Nach der Platte kommt nochmal etwas blockiges Terrain und auch die Platte setzt sich fort, nach rechts und links nimmt der Sattel das luftige Feeling des Aufstiegs. Dafür bläst nun eine Menge sehr kalter Luft über den Sattel und wir ziehen lieber noch eine Jacke an.

Am Gipfel präsentiert sich das ganze Panorama als Sahnehäubchen der Tour.

Allzu lang genießen wir es nicht. Es ist sehr zugig und kalt, die Zeit ist etwas knapp. Wir müssen ja auch noch das ganze Stück zurück.

Hier zeigt sich eindrücklich dass es kein Nachteil ist wenn es den selben Weg zurück geht.
Die Platte ist bergab völlig anders und wieder richtig stark! Als klar ist, dass wir da ziemlich gut einfach runterlaufen können, tritt der Genuss endgültig hinter den Sorgen vor dem Abstieg hervor.
Am Fuße der Platte ist endgültig klar: Was für eine klasse Tour das war. Eine unscheinbare, kleine Halbtagestour, als Lückenfüller ausgesucht, entpuppt sich völlig unerwartet als echtes Highlight.

Das Moor und den Matsch sehen wir jetzt auch als ein weiteres Puzzlestück, das eine abwechslungsreiche Tour ausmacht. Den letzten Kilometer an der Straße schaffen wir auch noch.

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